Wie E-Commerce den stationären Einzelhandel stärken kann – Interview mit Michael Schenkemeyer von GISY

Connected Commerce Omnichannel Digitalisierung

Michael Schenkemeyer ist Geschäftsführer des renommierten Schuhhauses GISY in Hannover. Im Interview mit digital.manufaktur spricht er über die Veränderungen im Einzelhandel, die er in seiner fast 40-jährigen Karriere im Unternehmen miterlebt hat. 

Er spricht über die Auswirkungen des E-Commerce auf den Einzelhandel und darüber, wie GISY es geschafft hat, den Online-Verkauf zu integrieren und gleichzeitig eine starke Präsenz in den Geschäften aufrechtzuerhalten. 

Er spricht auch über die Herausforderungen, mit denen die Schuhbranche derzeit konfrontiert ist. Und er erzählt, wie GISY es geschafft hat, erfolgreich zu bleiben, indem das Unternehmen mit seiner digitalen Strategie und seinem Produktangebot der Zeit voraus war.

Herr Schenkemeyer, Sie sind ein echtes “GISY-Urgestein”. Nach Ihrer Ausbildung und langjährigen Tätigkeit bei dem hannoverschen Traditionsunternehmen haben Sie 1998 die Geschäftsführung übernommen. Damals steckte das Internet noch in den Kinderschuhen, E-Commerce war noch kein großes Thema. Wie haben Sie den Handel damals erlebt?

Michael Schenkemeyer: Als ich bei GISY anfing, sah die Welt des Einkaufens noch ganz anders aus. Das Shoppingerlebnis war damals sehr persönlich: Die Kund:innen kamen zu uns in den Laden, vertrauten uns und hatten einen festen Ansprechpartner vor Ort. Es ging nicht nur um den Preis, sondern vor allem um Beratung und Verfügbarkeit. Natürlich waren die Menschen auch ein Stück weit auf den Händler vor Ort angewiesen. Denn anders als heute konnten sie sich die Waren nicht aus der ganzen Welt nach Hause bestellen. Je modischer der Einzelhandel in der jeweiligen Stadt war, desto modischer kleideten sich auch die Menschen vor Ort. Als Händler, der innovative Produkte aus dem Ausland bezog, waren wir bei GISY damals Vorreiter. Herr Gisy brachte die italienische Schuhmode nach Hannover.

Wie hat sich das Einkaufsverhalten der Menschen durch den E-Commerce verändert?

M. Schenkemeyer: Das Einkaufserlebnis ist heute ein ganz anderes. Viele Kund:innen kaufen im Internet, um den besten Preis zu finden. Ich sehe aber eine Trendwende, denn immer mehr Menschen kehren in unser stationäres Geschäft zurück. Ich glaube nicht, dass E-Commerce den Einzelhandel komplett ersetzen wird. Das persönliche Einkaufserlebnis mit Beratung, Modetipps und einem Cappuccino in der Stadt ist einfach nicht durch Online-Shopping zu ersetzen. Das macht den Einzelhandel aus – und das macht ihn letztlich auch lebendig. Unsere Aufgabe ist es nun, die Vorteile beider Welten – online und offline – miteinander zu verbinden.

Viele Schuhhändler stecken derzeit in der Krise: Reno musste Insolvenz anmelden und auch Görtz schließt rund die Hälfte seiner Filialen. Bei GISY hingegen freuen Sie sich über steigende Umsätze. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

M. Schenkemeyer: Die Corona-Pandemie hat viele Schuhhändler hart getroffen. Wir waren auf diese Krise glücklicherweise gut vorbereitet, da wir frühzeitig in den Online-Handel investiert haben. Seit rund 15 Jahren betreiben wir den GISY-Onlineshop und sind damit sehr früh auf den E-Commerce-Zug aufgesprungen. Von Anfang an war es uns wichtig, auf moderne Technologien zu setzen, um auch in Zukunft bestehen zu können. Heute wissen wir, dass dies der richtige Weg war. So konnten wir während der Lockdowns unsere Ware sehr gut verkaufen und danach mit den aktuellen Kollektionen wieder auffüllen. Zu einem Zeitpunkt, als andere sich vielleicht nicht mehr getraut haben, neue Schuhe zu kaufen, haben wir an die Zukunft geglaubt und in neue Ware investiert. Wir kaufen unsere Schuhe mit Herz ein – und mit dem Know-how aus fast 100 Jahren Schuhhandel. Wir kennen unsere Kund:innen und treffen genau ihren Geschmack. Bei uns finden sie eine riesige Auswahl an Schuhen, die es so nur in unseren stationären Geschäften gibt.

Gibt es also auch Schuhe, die Sie nicht über den Onlineshop verkaufen, sondern nur im stationären Handel?

M. Schenkemeyer: Ja, genau. Mein Hauptziel ist es, die Leute in unser stationäres Geschäft zu locken. Um das zu erreichen, nutze ich die digitalen Touchpoints. Unser Onlineshop ist für mich ein verlängertes Schaufenster, um den Kund:innen “den Mund wässrig zu machen”. Sie können sich online über unser Sortiment informieren und sich inspirieren lassen. Artikel, die gut gehen und begehrt sind, werden von mir aber rigoros aus dem Onlineshop entfernt, damit die Kund:innen sie im stationären Handel kaufen. 

Der Einzelhandel leidet derzeit unter der sinkenden Kaufkraft in der Bevölkerung infolge der aktuellen Krisen. Wie gehen Sie damit um?

M. Schenkemeyer: Trotz sinkender Kaufkraft haben viele Menschen das Bedürfnis, sich hin und wieder etwas Besonderes zu gönnen. Und seien wir ehrlich: Neue Schuhe oder ein neues Outfit braucht eigentlich niemand. Meist geht es beim Einkaufen eher um das “kleine Glück zwischendurch”. Wenn sich jemand keinen Urlaub mehr leisten kann, kann er sich trotzdem etwas gönnen, indem er einen schönen Tag in der Innenstadt verbringt. Dort kauft er sich das Paar Schuhe, das er schon immer haben wollte, und versüßt sich das Ganze mit einer Pasta beim Italiener. Deshalb sprechen wir in unserer aktuellen Werbung auch nicht von Schuhen, sondern von der “Schokoladenseite des Lebens”. Wir wollen den Einkauf bei GISY zu einem besonderen Erlebnis machen. Deshalb haben wir in den letzten Jahren nicht nur in unseren Onlineshop investiert, sondern auch unsere Filialen komplett umgebaut. Unser Ziel ist es, GISY den Menschen so individuell wie möglich zu präsentieren. Wir zeigen Persönlichkeit, um in Erinnerung zu bleiben.

Wie setzen Sie dieses besondere Einkaufserlebnis, von dem Sie sprechen, konkret in Ihren Geschäften um?

M. Schenkemeyer: Betritt man eines unserer Geschäfte, nimmt man sofort den Raumduft wahr, den wir eigens für GISY kreiert haben. Neben einer großen Auswahl an ausgesuchten Schuhen bieten wir auch Wohnaccessoires, Taschen, Ketten und Bekleidung an. Nach einer ausführlichen Beratung durch eine unserer Verkäuferinnen gehen die Kund:innen dann an unsere Bar und trinken ein Glas Wein – den sie übrigens auch kaufen können, wenn sie mögen. Außerdem gibt es bei uns immer wieder besondere Veranstaltungen. Am letzten verkaufsoffenen Sonntag beispielsweise konnten die Kund:innen bei uns die neueste Kollektion des Schuh-Herstellers Candice Cooper entdecken und dabei leckere italienische Snacks und gekühlten Weißwein vom Maritim Airport Hotel Hannover genießen. Ein Einkaufserlebnis mit allen Sinnen. So etwas geht online nicht. Gleichzeitig sind unsere Online-Kanäle natürlich unverzichtbar, um unsere Kund:innen zu erreichen und zu informieren.

Sie sprachen vorhin davon, dass Sie die Vorteile von Online- und Offline-Einkaufswelten miteinander verbinden – Stichwort Connected Commerce. Wie machen Sie das?

M. Schenkemeyer: Wer im Handel langfristig erfolgreich sein will, muss beide Welten miteinander verknüpfen und die Menschen dort abholen, wo sie sich gerade aufhalten. Und das ist sehr häufig das Smartphone. Deshalb versenden wir zum Beispiel jede Woche einen Newsletter und sind auf Instagram aktiv, um neue Produkte und unsere Events zu bewerben und die Menschen ins Geschäft zu locken. Mit der Click & Reserve-Funktion können sie sich ihre Lieblingsschuhe reservieren, um sie dann in der Filiale anzuprobieren und zu kaufen. 

So stellen sie sicher, dass die gewünschten Artikel auch vorrätig sind und sich der Weg zu uns lohnt. Übrigens investieren wir kein Geld mehr in Google Ads und haben in unserem Onlineshop trotzdem ein Umsatzplus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Wie werden Sie im Internet sichtbar, ohne Geld für Google-Anzeigen auszugeben? Wie werden Ihre Kund:innen online auf Sie aufmerksam?

M. Schenkemeyer: Wir setzen voll auf organisches Wachstum und Sichtbarkeit durch guten Content. GISY gehört zur Prange-Gruppe, die stationäre Schuh-Geschäfte in ganz Deutschland betreibt. Wir betreiben insgesamt drei Onlineshops – neben www.gisy-schuhe.de auch noch www.prangeschuhe.de und www.juppen.de. Für jeden Shop erstellen wir individuelle Produkttexte, um Duplicate Content zu vermeiden. Jedes Jahr haben wir rund 2.500 neue Schuhe im Sortiment, die wir alle selbst fotografieren und betexten. Die 15 Prozent Umsatzwachstum zeigen mir, dass E-Commerce auch ohne Google funktioniert – vielleicht sogar besser. Denn die Kund:innen, die uns auf diesem Weg finden, sind organisch gewonnen. Diese Kund:innen sind wahrscheinlich nicht nur auf den Preis fixiert, sondern haben uns vielleicht bei einem Städtetrip kennengelernt oder kommen aus der Stadt und wollen weiterhin bei uns einkaufen. 

Kommen wir zum Schluss: Was ist aus Ihrer Sicht das Erfolgsrezept für den Einzelhandel?

M. Schenkemeyer: Ich stelle mir immer die Frage: Was wollen die Kund:innen? Dabei muss man natürlich auch ein bisschen nach links und rechts schauen und etwas wagen. Der Handel lebt. Wer den Kund:innen nur das bietet, was sie gestern oder vorgestern gut fanden, verliert. Man muss den Kund:innen das bieten, was sie heute und morgen wollen. Und das ist aus meiner Sicht das besondere Einkaufserlebnis in der Innenstadt. Gleichzeitig arbeiten wir jeden Tag weiter daran, unseren Onlineshop Stück für Stück zu optimieren. Unser Ziel ist es, auch in Zukunft für alle Entwicklungen am Markt gut aufgestellt zu sein.

Über GISY

GISY ist ein hannoversches Traditionsunternehmen, das seit 1934 hochwertige Schuhe vertreibt. Als Teil der Prange-Gruppe gehört GISY zu den renommiertesten deutschen Schuhmodehäusern, legt besonderen Wert auf Service und bietet eine außergewöhnlich große Auswahl an hochwertigen Marken. Diese finden Kunden auch im GISY-Onlineshop unter www.gisy-schuhe.de

Ein weiteres Best-Practice-Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung von Connected Commerce finden Sie hier: Vom traditionellen Einzelhandel zum Connected Commerce: Die Entwicklung von WEITZ