Dynamic Pricing im E-Commerce: Mehr als reine Gewinnoptimierung
Mithilfe von Dynamic Pricing lassen sich die Umsätze im E-Commerce optimieren. Darüber hinaus können Onlinehändler:innen durch die dynamische Preisgestaltung ihre Verkäufe besser steuern und flexibel auf Marktveränderungen reagieren. Gleichzeitig dürfen sie die Kundeninteressen dabei nicht aus dem Blick verlieren ‒ denn eine von der Zielgruppe als unfair wahrgenommene Preispolitik wirkt sich langfristig negativ auf den Unternehmenserfolg aus.
Wir erklären, wie Onlineshop-Betreiber:innen Dynamic Pricing sinnvoll in ihre E-Commerce-Strategie einbinden können.
Was ist Dynamic Pricing und wo kommt es zum Einsatz?
Dynamische Preise sind uns allen bereits aus der Offline-Welt wohlbekannt: An der Zapfsäule an der Autobahn zahlen wir für eine Tankfüllung mehr als in der Stadt. Und nachts ist ein Liter Kraftstoff günstiger als zur Rush Hour. Hier greift die grundsätzliche marktwirtschaftliche Logik: Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis.
Dieses Prinzip findet sich in verschiedensten Branchen wieder. So ist eine Hotelübernachtung zur Sommerferienzeit in der Regel deutlich teurer als in der Nebensaison. Gastronom:innen locken ihre Gäste mit günstigen Happy-Hour-Angeboten zu weniger hoch frequentierten Zeiten in ihre Bar. Und während Weihnachtsdeko oder Schoko-Osterhasen kurz vor den Feiertagen vergleichsweise teuer verkauft werden, sparen die Konsument:innen beim Kauf nach den Feiertagen meist deutlich.
Auch im E-Commerce wird Dynamic Pricing umfassend eingesetzt ‒ vom Summer-Sale über Black-Friday-Angebote bis hin zu Sonderpreisen für langjährige Geschäftskund:innen im B2B-Bereich. Doch die Möglichkeiten, die Preise im Onlinehandel dynamisch zu gestalten, gehen heute weit über diese klassischen Szenarien hinaus. Mithilfe komplexer Algorithmen analysieren spezielle Pricing-Tools die Zahlungsbereitschaft der Konsument:innen auf Basis von Big Data und passen die Preise entsprechend an ‒ und das in Sekundenschnelle, vollautomatisiert und dynamisch für jedes Produkt, für jede Tageszeit und unter Berücksichtigung der Preise der Marktbegleiter.
So ändert Amazon die Preise mehrmals täglich, um sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen E-Commerce-Plattformen zu verschaffen. Betreiber:innen von Onlineshops müssen schnell reagieren, um im hart umkämpften Onlinemarkt auf Dauer mithalten zu können.
Welche Vorteile und Hürden hat Dynamic Pricing im E-Commerce?
Laut einer Befragung der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) passen 40 % der deutschen Firmen die Preise für ihre Produkte und Dienstleistungen mindestens einmal pro Woche an. Dabei nutzt jedes fünfte Unternehmen automatisierte Pricing-Tools für die dynamische Preisgestaltung. Und das zahlt sich aus: Laut der Befragung lassen sich durch automatisiertes Dynamic Pricing die Vertriebskosten um rund 14 % reduzieren und durchschnittlich 3,9 % höhere Preise erzielen.
Neben der reinen Gewinnoptimierung profitieren Unternehmen von weiteren Vorteilen der dynamischen Preisanpassung. So können sie beispielsweise Restposten zu günstigen Preisen abverkaufen, um Lagerkapazitäten zu schaffen. Und auch die Customer Experience lässt sich durch Dynamic Pricing verbessern. Wenn B2B-Einkäufer:innen beispielsweise eine automatische Preissenkung erhalten, wenn sie ein bestimmtes Einkaufsvolumen erreichen, wirkt sich dies positiv auf ihre Kauferfahrung und die Kundenbindung aus. Das Gleiche gilt für B2C-Kund:innen, wenn ihnen z.B. aktuelle Preissenkungen für Produkte auf ihrer Merkliste in Echtzeit angezeigt werden.
Auf der anderen Seite können dynamische Preise aber auch zu Frust bei der Kundschaft führen. Wenn beispielsweise den vermeintlich zahlungskräftigeren Apple-Usern höhere Preise angezeigt werden als den Nutzer:innen andere Endgeräte, fühlen Erstere sich unfair behandelt, sobald sie dies merken. Auch wenn Neukund:innen durch großzügige Rabatte oder Sonderpreise angelockt werden, empfinden Stammkund:innen, die für dasselbe Produkt mehr bezahlen, dies als unfair und wechseln nicht selten zu einem anderen Anbieter. Unternehmen verlieren auf diese Weise im schlimmsten Fall nicht nur langjährige Kund:innen, sondern auch ihr positives Markenimage.
Auch Preisvergleichsportale wie Google Shopping oder idealo sind sowohl mit Chancen als auch mit Risiken für Onlineshop-Betreiber:innen verbunden. Auf der einen Seite schaffen sie eine hohe Sichtbarkeit und Reichweite, um Neukund:innen zu gewinnen. Für die Konsument:innen bieten Vergleichsplattformen eine hohe Transparenz, was sich positiv auf ihr Einkaufserlebnis auswirkt. Für E-Commerce-Unternehmen bergen diese Portale allerdings die Gefahr, in einen Preiskampf mit den Marktbegleitern zu geraten, was die Gewinnmarge verringert. Hier müssen Onlinehändler:innen also genau die Kosten und den Nutzen gegeneinander aufrechnen und eine Strategie entwickeln, um die Produktpreise nicht dauerhaft nach unten zu ziehen.
Dynamic Pricing im Onlineshop richtig umsetzen
Grundsätzlich ist Dynamic Pricing im E-Commerce durchaus sinnvoll. Inwieweit die Preise differenziert werden und welche Tools dafür zum Einsatz kommen sollten, ist dabei je nach Branche und Unternehmen unterschiedlich. So können beispielsweise Onlinehändler:innen, deren Kund:innen nur einmalig oder in großen Abständen Produkte bei ihnen kaufen (z.B. Bodenbeläge oder Brillen), in der Regel von der automatisch personalisierten Preisdifferenzierung profitieren.
Für das teil- und vollautomatisierte Dynamic Pricing stehen verschiedene Tools zur Verfügung. Diese ermitteln auf Basis der Preiselastizität und verschiedener Faktoren die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen. Dabei berücksichtigen sie auch die Wettbewerbspreise im Kontext der Markenstärke des eigenen Unternehmens.
Hier finden Sie einen Überblick inklusive kurzen Einschätzungen über die aktuell gängigsten Dynamic-Pricing-Anbieter auf dem Markt:
- Blue Yonder (vorher: JDA Software)
- IBM Dynamic Pricing
- Prudsys
- Feedvisor
Diese automatisierten Tools für die intelligente Preisgestaltung eignen sich allerdings nur eingeschränkt für Unternehmen, die auf das Stammkundengeschäft angewiesen sind (z.B. FCMG-Produkte wie Lebensmittel oder Drogerieartikel). Denn wenn deren langjährige Kund:innen mitbekommen, dass sie aufgrund ihres Wohnortes, Endgerätes oder anderer Indikatoren mehr bezahlen als andere, wirkt sich das sehr negativ auf ihre Customer Experience und ihr Vertrauen in die Marke aus. In den meisten Fällen werden sie als Konsequenz zu einem anderen Onlineshop wechseln.
Für FCMG-Anbieter, die auf eine langjährige Kundenbindung und einen hohen Customer Lifetime Value abzielen, bieten sich daher andere Arten der dynamischen Preisgestaltung an. Dazu gehören u.a. attraktive Treueprogramme im E-Commerce, bei denen die Teilnehmenden Rabatte und Prämien erhalten.
Fazit
Dynamic Pricing im E-Commerce hat viele Facetten. Ob Rabattaktionen für die Neukundengewinnung, personalisierte Preise für langjährige B2B-Kund:innen oder die Preisoptimierung mithilfe vollautomatisierter Pricing-Tools ‒ jede Branche hat individuelle Möglichkeiten, die dynamische Preisgestaltung gewinnbringend einzusetzen. Richtig und fair umgesetzt, bietet Dynamic Pricing sowohl für Unternehmen als auch für die Verbaucher:innen einen Mehrwert.