Corona: Neue Chancen und nachhaltige Lösungen für Online-Händler

Die Covid-19-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen haben gravierende Auswirkungen auf die weltweite Wirtschaft. Insbesondere der stationäre Einzelhandel, Branchen wie Gastronomie und Tourismus sowie Freiberufler und Künstler haben die Folgen des Lockdowns unmittelbar zu spüren bekommen. Dahingegen haben große Handelsplattformen, allen vorweg der E-Commerce-Riese Amazon, bisher extrem von der Krise profitiert. Doch lässt sich diese positive Entwicklung des Online-Handels auf die gesamte E-Commerce-Branche übertragen?

Christoph Bock, Leiter Projektmanagement bei der digital.manufaktur, wirft in diesem Interview einen differenzierten Blick auf die Auswirkungen der Corona-Krise auf den Online-Handel und zeigt Chancen auf für nachhaltigen Erfolg im E-Commerce.

Haben Unternehmen, die E-Commerce betreiben, in der aktuellen Situation einen Vorteil gegenüber jenen, die sich bisher auf den stationären Handel beschränkt haben?

Christoph: Ich denke, dass das sehr differenziert betrachtet werden muss. Pure Player ohne Ladengeschäfte sehen sich natürlich weniger Problemen ausgesetzt als Filialisten, die mit Umsatzeinbußen durch die Schließungen zu kämpfen haben. Andererseits ist es auch bei reinen Online-Händlern natürlich stark vom eigenen Sortiment abhängig, wie sich die Verkaufszahlen entwickeln, oder wenn beispielsweise eigene Lieferketten bedroht sind.
Aber natürlich sehen wir strukturelle Vorteile für den Onlinehandel, das ist klar. Und auch wenn die Schließungen nun schrittweise wieder aufgehoben und die Kontaktverbote gelockert wurden, wird es sicher noch einige Zeit dauern, bis auch der stationäre Handel zum Normalmodus zurückkehren kann.

Einige E-Commerce-Plattformen, allen voran Amazon, erleben momentan einen regelrechten Boom. Welche Branchen profitieren momentan von der Corona-Krise?

Christoph: Amazon ist als Branchenprimus immer und in jeder Hinsicht ein Ausreißer. Besonders stark sind momentan die Dienste gefragt, die sowieso schon Waren des alltäglichen Gebrauchs bereitstellen. Die meisten Leute werden wohl bemerkt haben, dass deutlich mehr Fahrzeuge von Getränkelieferdiensten unterwegs sind, oder solche der großen Supermarktketten. Die profitieren natürlich jetzt sehr. Damit verbunden sind auch Zuwächse bei Serviceprovidern wie etwa bei Onlinepayments.

Gibt es weitere Faktoren, durch die einige Unternehmen momentan besser aufgestellt sind als ihrer Mitbewerber?

Christoph: Klar ist: Wer schon vorher stark in Themen wie Digitalisierung investiert hat, profitiert jetzt davon – auf unvorhergesehener Weise. Wir selbst haben etwa vor wenigen Monaten unsere Telefonanlage digitalisiert. Das hat die Entscheidung, komplett auf Remote Work aus dem Homeoffice umzustellen natürlich deutlich erleichtert. Wir arbeiten als Agentur eigentlich genauso weiter wie vorher, nur eben alle von zu Hause aus. Das ist nicht in allen Branchen möglich, aber wir sehen auch bei unseren Kunden klar die im Vorteil, die schon vorher stark in digitalen Themen waren. Das wird sich durch die Covid19-Pandemie meiner Meinung nach auch nochmal deutlich steigern.

Der Großteil des stationären Handels musste aufgrund der Corona-Krise die Ladengeschäfte vorübergehend schließen. Vor welche Chancen, aber auch Herausforderungen stellt diese Situation den E-Commerce?

Christoph: Die Chancen liegen auf der Hand. Der Wettbewerb des stationären Handels war über mehrere Wochen komplett stillgelegt, und selbst nach den ersten Lockerungen der Maßnahmen wird es noch eine ganze Weile Einschränkungen geben. Ich denke nicht, dass der E-Commerce an sich an Grenzen stößt dabei. Die leichtere Skalierbarkeit dieser Geschäftsmodelle ist ja ein grundsätzlicher Vorteil des E-Commerce. Wir sehen momentan, dass etwa in den Services rund um Delivery&Shipping Kapazitäten erschöpft sind und sich Lieferzeiten verlängern. Aber ich denke, dass da alle Endkunden ein gewisses Verständnis für haben. Wichtig ist: Die Menschen werden auch weiterhin Geld ausgeben wollen. Dadurch erschließen sich ggf. auch neue Kundengruppen und neue Zugänge zu diesen. Wer früher bestimmte Waren eher ungern online gekauft hat, steht dem nun vielleicht offener gegenüber.

Was sollten Online-Händler jetzt tun, um dieses Potential auszuschöpfen und nachhaltigen Erfolg im E-Commerce zu erreichen – auch nach der Krise?

Christoph: Das werden wir von unseren Kunden viel gefragt in den letzten Wochen. Wichtig sind zunächst natürlich ganz banale infrastrukturelle Themen wie stabile Systeme im Hosting und im Service. Dafür sorgen wir aber natürlich als Agenturpartner sowieso. Dann ist es sehr wichtig zu zeigen, dass man trotz der Situation weiter für seine Kunden da ist. Sei es durch ein Banner auf der Startseite oder Sondernewsletter. Gerade für Multichannel-Händler ist es ganz wichtig, ein Signal zu geben im Sinne von “Hallo, wir sind trotzdem für Sie da!”

Ganz konkrete Maßnahmen, die wir bei vielen unserer Kunden mit gutem Erfolg umsetzen konnten, sind solche, die Kaufhemmnisse herabsetzen. Niedrigere Versandkosten und ein lockerer Umgang mit Rückgabefristen haben sich als gute Sofort-Maßnahmen bewährt. Es muss natürlich immer ins eigene Geschäftsmodell passen, aber auch Rabattaktionen können schnelle Zuwächse bei den Transaktionen ermöglichen.

Ansonsten gilt natürlich auch in Krisenzeiten das, was auch sonst gilt: Die eigene Marke pflegen, eigene Inhalte produzieren, sich selbst als verlässlichen Partner an der Seite der eigenen Kunden zeigen.

Zum Abschluss eine Prognose: Wie wird sich die Nachfrage im E-Commerce, deiner Einschätzung nach, entwickeln?

Christoph: Völlig unabhängig von dieser Situation zeigen die Zahlen im E-Commerce nur nach oben. Es ist einfach der Absatzweg der Zukunft. Das heißt keineswegs, dass es keinen stationären Handel mehr geben wird, aber dieser wird sich stark verändern. Das sind Entwicklungen, die sich nun sicherlich noch verschnellern. Spannend wird, ob bisher ungelöste Probleme in der Distribution (“last mile”) nun durch neue Services nachhaltig gelöst werden können.