So geht regionaler Onlinehandel: Interview mit Katja und Falco Tegtmeier von “Kochs in Liethe”

E-Mail Marketing Regional shopware 6

Katja und Falco Tegtmeier führen den Familienbetrieb “Kochs in Liethe” in vierter Generation. Den kleinen Hofladen von Katjas Urgroßeltern haben sie mittlerweile zu einem Erlebnishof mit umfangreichem Produktsortiment, einem Café und einem großen Erlebnisspielplatz ausgebaut. Mit ihrem neuen Onlineshop gehen sie nun, gemeinsam mit digital.manufaktur, den Schritt in den E-Commerce.

Wann und warum habt ihr euch entschieden, euren Hofladen in die digitale Welt auszuweiten?

Katja: Wie bei vielen anderen Betrieben war auch bei uns die Corona-Pandemie der ausschlaggebende Grund für den Schritt in die Digitalisierung. Es gab von einem auf den anderen Tag eine völlig neue Kundenerwartung. Die Menschen wollten bzw. konnten nicht mehr in den Laden kommen, wir hatten viele Anfragen für Lieferungen oder kontaktloses Bestellen und Abholen.

Falco: Zwei Tage nach dem ersten Lockdown haben wir dann erstmal eine telefonische Bestell-Hotline eingerichtet. Bald darauf haben wir unseren ersten Onlineshop mit VersaCommerce auf Basis von Shopify live gestellt und diesen Schritt für Schritt ausgebaut. Dabei sind wir allerdings schnell an die technischen Grenzen des Systems gestoßen. Unsere Anforderungen an den Onlineshop sind so individuell, dass ein Baukastensystem diese einfach nicht abbilden kann.

Welche speziellen Anforderungen habt ihr denn an euren Onlineshop? Und wie habt ihr diese mit dem Relaunch auf Basis von Shopware 6 erfüllt?

Falco: Beim Verkauf von Lebensmitteln ist man gesetzlich dazu verpflichtet, sehr viele Informationen − z.B. Nährwertangaben, Zutatenlisten usw.  ‒ an die Käuferinnen und Käufer weiterzugeben. Wenn wir das alles manuell eingeben würden, müssten wir drei zusätzliche Leute dafür einstellen. Mit Shopware 6 haben wir für den neuen Onlineshop nun eine Schnittstelle zu ecoinform integriert. Dort sind alle rechtlichen Verbraucherhinweise für die Bio-Lebensmittel hinterlegt und werden über die Schnittstelle automatisch in den Onlineshop übertragen. Das ist natürlich eine enorme Arbeitserleichterung, die erst durch das neue Shopsystem möglich wurde.

Katja: Wir mussten auch viele Regeln schaffen, damit es beim Bestellprozess nicht zu Fehlern kommt. Ein Beispiel: Wichtig ist für uns die Möglichkeit, das Liefergebiet eingrenzen zu können. Manche Produkte verschicken wir deutschlandweit, andere liefern wir nur regional. Mit unserem alten System ließ sich das nicht im Onlineshop abbilden. Beim neuen Shop können die Kundinnen und Kunden nun vor der Bestellung ihre Postleitzahl eingeben und bekommen dann automatisch nur die Produkte angezeigt, die wir auch in die jeweilige Region liefern. Auch die Versandgebühren werden automatisch angepasst.

Ihr habt bereits einige besondere Herausforderungen im Hinblick auf den Onlinehandel mit Lebensmitteln genannt. Gibt es noch weitere?

Falco: Der Bereich Lebensmittel-Lieferservice hat ein großes Potenzial. Es gibt ja sehr viele verschiedene Lieferdienste oder auch Supermärkte, die versuchen, in dem Segment Fuß zu fassen. Aber es herrscht auch gerade im Hinblick auf den Versand frischer Lebensmittel noch große Skepsis bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Die Branche ist bisher noch ein großer Spielball mit vielen Veränderungen. Gerade ist die Übernahme des Express-Lieferdienstes Gorillas durch Getir im Fokus der Medien. Diesen Sommer hat das Hamburger Liefer-Start-up Frischepost Insolvenz angemeldet und sich Flaschenpost angeschlossen.

Katja: Wir glauben, dass wir hier einen Vorteil haben, weil unser Unternehmen für die Verbraucherinnen und Verbraucher greifbarer ist als anonyme Lieferservices oder Supermarktketten. Die Produkte werden nicht aus einem Zentrallager verschickt, sondern direkt von unserem Hof. Die Menschen sehen, wer dahinter steht und wie die Lebensmittel erzeugt werden. Wir punkten hier mit Authentizität.

Authentizität ist eure große Stärke. Sie fördert das Vertrauen in euch und stärkt die Kundenbindung. Wie schafft ihr es, auch online ein authentisches Bild von euch zu zeigen?

Katja: Vor dem Relaunch hatten wir eine Webseite und einen separaten Onlineshop. Für den Neustart haben wir uns bewusst dazu entschieden, beides miteinander zu “verheiraten”. Sowohl der Onlineshop als auch alle CMS-Seiten laufen nun zentral über Shopware 6. Die Menschen kommen also nicht zwangsläufig nur auf unsere Seite, um etwas zu bestellen. Sie können hier unsere Familie und unser Unternehmen kennenlernen, Online-Reservierungen für den Erlebnishof machen, sich über Öffnungszeiten und Anfahrt informieren usw.

Falco: Uns geht es beim neuen Onlineshop nicht nur um reine Kaufabschlüsse, sondern um die gesamte Außendarstellung. Für den Relaunch war uns deshalb auch ein neues, frisches Corporate Design wichtig. Darüber hinaus legen wir großen Wert darauf, für unsere Kundinnen und Kunden immer ansprechbar zu bleiben. 

Katja: Ganz genau. Wir wollen mit unserem Onlineshop als zusätzlichen Vertriebsweg zwar weiter wachsen, allerdings in einem gesunden Rahmen. Der persönliche Kontakt zu unserer Kundschaft ist uns sehr wichtig und den wollen wir auch beibehalten. Die Leute können uns alles zu unseren Produkten und Prozessen fragen und bekommen eine Antwort. Obwohl unser Betrieb schon ziemlich groß ist, bleiben wir für die Menschen so greifbar.

Stichwort Wachstum: Habt ihr durch den neuen Onlineshop bereits neue Kundschaft gewonnen? 

Katja: Die Anzahl an Bestellungen wächst mit dem neuen Onlineshop derzeit stetig. Wir wissen allerdings nicht genau, welche der Personen, die normalerweise im Hofladen einkaufen, nun stattdessen online bestellen. Das könnten wir nur durch eine Umfrage herausfinden. Was sich aber auf jeden Fall positiv entwickelt hat, ist unsere Zielgruppengröße. Während vorher eher die Menschen aus dem näheren Umkreis und die Gäste des Erlebnishofes im Hofladen eingekauft haben, beliefern wir mit dem Onlineshop nun ein viel größeres Gebiet. Wir bieten jetzt auch Abokisten an und beliefern Schulen und Büros.

Falco: Wir merken auch, dass die Menschen, die etwas weiter weg wohnen und zuvor nur ein- bis zweimal im Jahr unseren Erlebnishof besucht haben, nun auch regelmäßig online bei uns einkaufen. Unser Ziel ist es, genau diese Personen als Stammkundschaft zu gewinnen. Da sehen wir viel Potenzial.

Welche Ziele habt ihr für die Zukunft in Sachen E-Commerce?

Katja: Unser stationäres Geschäft und unser gastronomischer Betrieb laufen sehr gut. Wir sind rein finanziell also momentan nicht auf den Onlineshop angewiesen, wollen aber für die Zukunft gut aufgestellt sein. Unser erstes Ziel war es, einen Onlineshop zu haben, der gut funktioniert und unsere individuellen Anforderungen abdeckt. Das haben wir mit dem Relaunch erreicht. Nun wollen wir den Shop einer breiteren Zielgruppe bekannt machen und den Kundinnen und Kunden zeigen, dass alles gut läuft. Dann schenken sie uns auch in Zukunft ihr Vertrauen.

Falco: Wir wollen das Wachstum erst einmal bewusst im Rahmen halten, um die Nachfrage auch logistisch zuverlässig bedienen zu können. Unser Ziel ist ein gesundes Wachstum, das wir selbst zuverlässig abwickeln können. Als langfristiges Ziel können wir uns vorstellen, die Online-Lieferungen von unserem stationären Geschäft zu trennen. Denn irgendwann werden unsere Räumlichkeiten hier vor Ort vielleicht nicht mehr ausreichen. Dann würden wir den Onlinehandel als GmbH an einen anderen Standort auslagern.

Welche Kommunikations- und Marketingkanäle nutzt ihr, um euren neuen Onlineshop bekannt zu machen?

Falco: Wir verschicken einen regelmäßigen Newsletter. Unser E-Mail-Verteiler ist bereits recht groß, weil wir die Kontaktdaten der Menschen, die bereits Online-Reservierungen für unseren Erlebnishof gemacht haben, dafür nutzen dürfen. Des Weiteren bespielen wir unsere Social-Media-Kanäle regelmäßig mit Sonderaktionen, Fotos vom Hof und unserer Familie sowie Einblicke in den Anbau und die Produktion unserer Produkte. Auch das sorgt dafür, dass unsere Kundschaft ein authentisches Bild von uns bekommt. Unser Motto lautet “Wissen, wo’s herkommt.” Das unterstützen wir mit unseren Online-Kanälen.

Katja: Darüber hinaus arbeiten wir aber auch ganz altmodisch mit “Papierwerbung”. Zum Beispiel beliefern wir viele Firmen in der Region Hannover mit unseren Bürokisten und legen dort Infomaterial bei. Auch in unserem Hofcafé machen wir über Flyer und Werbung auf den Tabletts auf unseren Onlineshop aufmerksam. Der Hintergedanke dabei: Diese Personen waren schon einmal bei uns, sie kennen uns und haben Vertrauen. Dadurch sind sie wahrscheinlich auch eher bereit, online etwas bei uns zu kaufen. 

Falco: Wir nutzen aber natürlich auch Ads bei Social Media und Google. Dass wir einen geographisch abgegrenzten Bereich bedienen, ist hier ein großer Vorteil. Denn wir können so eine sehr spezifische Zielgruppe definieren und haben weniger Streuverlust als Lieferdienste, die bundesweit oder darüber hinaus tätig sind. Außerdem haben wir unsere Webseite mithilfe des SEO-Tools Sistrix optimiert und ranken mittlerweile für viele für uns relevante Keywords sehr gut. Das liegt zum Teil auch daran, dass die anderen Betriebe aus unserem Segment in dieser Hinsicht noch nicht viel machen.

Eure Unternehmenswerte sind “Frische, Qualität und Nachhaltigkeit”. Wie setzt ihr diese online und offline um?

Katja: Wir verkaufen Produkte, die es nicht überall anders gibt. Neben unserem eigenen Obst- und Gemüseanbau haben wir auch viele handgemachte Produkte von kleinen Manufakturen aus unserer Region im Sortiment. Klar klappt das nicht bei allen Produkten. Bananen lassen sich beispielsweise nicht bei uns anbauen. Aber da, wo es geht, arbeiten wir mit heimischen Bauern und Manufakturen zusammen und unterstützen damit unsere Region.

Falco: Mit dem Schritt in den E-Commerce mussten wir uns auch mit dem Thema Verpackungen auseinandersetzen. Wir haben lange überlegt, wie wir dieses Thema am besten und nachhaltigsten lösen können. Viele andere Gemüsekisten-Anbieter nutzen Plastikkisten in einem Pfandsystem. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass diese für viele unserer Kundinnen und Kunden zu groß und klobig sind und zu viel Platz in ihrem Zuhause in Anspruch nehmen. Andere Anbieter nutzen Pappkartons. Diese lassen sich jedoch in der Regel nur einmal verwenden und haben deshalb keine gute Ökobilanz. Wir haben uns deshalb für wiederverwendbare Taschen entschieden. Diese sind ressourcenschonender in der Herstellung und lassen sich problemlos verstauen. Das einzige Problem ist, dass sie sich bei der Auslieferung nicht so schön stapeln lassen wie die Kisten. 

Katja: Das ist ein gutes Beispiel, das zeigt, dass wir das Thema Nachhaltigkeit wirklich versuchen bis zum Ende zu denken. Vieles klingt auf den ersten Blick ganz toll. Wenn man aber genauer hinschaut, merkt man oft, dass es noch bessere Lösungen gibt, die vielleicht einfach nur nicht so tolles Marketing machen. Ein Beispiel sind aus meiner Sicht kompostierbare Tüten aus Maisstärke. Für deren Produktion muss Mais auf Flächen angebaut werden, die man viel sinnvoller für den Anbau von Lebensmitteln nutzen könnte. Vielleicht sind mein Mann und ich da ja einfach zu ehrlich (lacht). Aber wir machen nicht bei Trends mit, die wir nicht sinnvoll finden.

Bleiben wir noch beim Thema Nachhaltigkeit. Die Lebensmittelverschwendung ist ein großes Thema in eurer Branche. Wie geht ihr damit um?

Katja: Das stimmt und daran erkennt man ganz gut, wie sich das Kaufverhalten der Menschen im Laufe der Zeit verändert hat. Früher haben wir unser selbst angebautes Obst und Gemüse an die Industrie verkauft. Diese wollte aber nur die “perfekten” Produkte ohne Schönheitsfehler. Für die zweite Wahl haben meine Urgroßeltern dann den Laden für die Endkundinnen und -kunden eröffnet. Das wurde anfangs sehr gut angenommen. Im Laufe der Zeit wollten aber auch diese nur noch das makellose Gemüse; die “krummen” Produkte blieben liegen. Inzwischen ist aber das Bewusstsein für Lebensmittelverschwendung gestiegen und die meisten Menschen müssen auch wieder mehr aufs Geld schauen. Wir bieten nun Kisten mit Obst und Gemüse zweiter Wahl zu vergünstigten Preisen an. Das läuft extrem gut.

Falco: Wir brauchen nur eine Story auf Facebook oder Instagram zu posten und die Zweite-Wahl-Kisten sind sofort ausverkauft. Wir verdienen daran zwar nichts, aber bekommen Aufmerksamkeit und im besten Fall neue Stammkundschaft. Darüber hinaus unterstützen wir seit vielen Jahrzehnten den “Seelzer Brotkorb”, eine Art Tafel in unserem Nachbarort, mit Lebensmittelspenden.

Ihr gehört nun zu den Vorreitern in Sachen Digitalisierung in eurer Branche und Region. Verschafft euch das einen Vorteil gegenüber anderen Betrieben? 

Falco: Wir sind froh, rechtzeitig die notwendigen Schritte Richtung Digitalisierung gegangen zu sein. Denn auf dem Weg haben wir gemerkt, wie umfangreich so ein Projekt sein kann ‒ gerade wenn man so viele spezifische Anforderungen an den Onlineshop hat wie wir. Wir haben uns auf dem Weg auch viel Wissen in den Bereichen E-Commerce, SEO, Social Media und Online-Marketing selbst angeeignet. Ich denke, da sind wir anderen Betrieben nun einige Schritte voraus. Dadurch haben wir einen enormen Wettbewerbsvorteil gegenüber vielen anderen Hofläden in unserer Region.

Katja: Corona und aktuell auch die Energie-Krise haben uns gezeigt, dass die Zeit sehr schnelllebig geworden ist. Von heute auf morgen können Änderungen passieren, die das Kaufverhalten beeinflussen. Mit unserem Onlineshop sind wir nun für alle Eventualitäten und Marktveränderungen gewappnet. Egal, wie sich das Kundenverhalten in Zukunft ändert, wie sich das Online-Segment im Lebensmittelmarkt weiterentwickelt und welche Krisen noch auf uns zukommen – wir sind jetzt vorbereitet.

Neugierig geworden? Hier geht's zum Onlineshop "Kochs in Liethe".